Plovdiver Eskalationen

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Bulgarische Politiker reagieren ja zunehmend rüpelhaft auf Opposition und Kritik aus der Zivilgesellschaft. Man denke nur an Vizepremier Valeri Simeonov, der kürzlich die EU-Parlamentarierin Ska Keller als „als grüne Jihadistin“ bezeichnete, weil sie sich zusammen mit einheimischen Umweltschützern für den Erhalt des Nationalparks Pirin einsetzt. Diese Tonart beherrscht auch Plovdivs Bürgermeister Ivan Totev: die aktuelle Kritik an unangekündigten Baumaßnahmen in einer der Hauptstraßen der historischen Altstadt sei ein Fall von „seltsamer Hysterie“, Frau Sarieva, stadtbekannte Kuratorin und eine Wortführerin der Kritiker, solle sich hüten und lieber „eine Kerze dafür anzünden, dass wir das Kulturprogramm der Kommune nicht einstellen, denn ich weiß nicht, was sie dann noch machen wird“. Die Meldung machte die Runde und sorgte für große Augen bei vielen bulgarischen Kulturschaffenden… Was war passiert?

Die Otets-Paissi-Straße im Zentrum von Plovdiv ist eine gute Alternative, wenn man das Gedränge in der benachbarten Fußgängerzone umgehen will. Sie ist die „armenische“ Straße der Stadt mit Juweliergeschäften, Antiquariaten, Reisebüros und vielem anderen Kleingewerbe. Doch seit Anfang Februar geht hier nicht mehr viel. Ohne Vorwarnung seitens der Kommune waren Geschäftsleute und Anwohner plötzlich mit aufgerissenem Kopfsteinpflaster, abgedrehten Wasserleitungen und verschwundenen Müllcontainern konfrontiert. Auch eine Bank wurde zeitweise von der Geldversorgung abgeschnitten, denn es gab plötzlich keine Zufahrt für die Geldtransporter mehr. Eine Pressekonferenz zur Baumaßnahme gab Bürgermeister Ivan Totev erst, als die Bagger schon losgelegt hatten.

Das verärgerte auch die Künstlerin und Kuratorin Vesselina Sarieva, die seit 2005 die „Nacht der Museen und Galerien“ organisiert, einen der größten jährlichen Events in Plovdiv. Mit dem Büro ihrer „Open Arts Foundation“ ist sie selbst Anliegerin in der Altstadtstraße. Auf facebook fasste sie die Sorgen der Nachbarschaft zusammen: die Geschäfte verlören ihre Kundschaft, von Entschädigungen sei keine Rede, man wisse nicht, ob das charakteristische Kopfsteinpflaster wieder originalgetreu hergestellt werde, geschweige denn, wie lange die Bauarbeiten dauern sollten – auch weil man in der 7000 Jahre alten Stadt nur mit der Schaufel am Boden kratzen muss, um auf archäologisch wertvolle Relikte zu stoßen.

Mit seiner unverhohlenen Drohung, die kommunale Förderung für renitente Kulturschaffende einzustellen, geriet Totev jedoch an die falsche Adresse. Die „Open Arts Foundation“ ist gut aufgestellt und kann belegen, dass jeder in die „Nacht der Museen und Galerien“ investierte Lew vier Lewa für die lokale Wirtschaft bringt. Auch haben Frau Sarieva und ihre Mitstreiter ein breit gefächertes Netz aus Sponsoren und der kommunale Beitrag macht nur etwa 20 Prozent des Budgets aus. Und so erklärte man: die „Nacht 2018“ werde wie geplant, aber ohne kommunale Direktmittel stattfinden. Im Vorbereitungsjahr für die „Europäische Kulturhauptstadt Plovdiv 2019“ hat Totev damit einen weiteren Tiefschlag gegen die Kulturszene der Stadt gesetzt, die in weiten Teilen ohnehin schon ein tief zerüttetes Verhältnis zu dem Lokalpolitiker hat.